Offener Brief des Ortsbeirats Vielbrunn

Ortsbeirat Vielbrunn, Vielbrunn, den 20.02.2016

Windenergieanlagen im Odenwald; Genehmigung der WEA 1 und 2 im Windpark „Felgenwald“ in der Gemarkung Würzberg

Sehr geehrte Damen und Herren,

das Regierungspräsidium Darmstadt hat in für diese Behörde fast unglaublicher Schnelligkeit die Genehmigung zur Errichtung der beiden WEA hinter der Zufahrt zum Sansenhof in der Gemarkung Würzberg erteilt und dabei das fehlende Einvernehmen der Stadt Michelstadt ersetzt. Die Begründung der Genehmigung spiegelt die momentane Haltung dieser Behörde wieder, die aus politischen Erwägungen alle bisher in hohem Maße geschützten Rechtsgüter zugunsten der politischen Zielsetzung, den Odenwald als Standort der Windindustrie zu verfestigen, zur Bedeutungslosigkeit reduziert. Natur- und Artenschutz sowie der Schutz der Menschen spielen für die Genehmigungsbehörde bei ihrer Rechtsgüterabwä- gung im Rahmen ihrer Ermessensausübung offensichtlich eine sehr untergeordnete Rolle spielen. Die Überlastung der Landschaft durch die Vielzahl der Anlagen auf engem Raum und die damit verbundenen negativen Auswirkungen auf Natur und Umwelt wird im Verfahren in keiner Weise gewürdigt und scheint für die Genehmigungsbehörde nicht von Belang zu sein. Die damit einhergehende Verwandlung eines relativ intakten Landschaftsbildes, das immerhin Bestandteil des UNESCO Global Geoparks Bergstraße-Odenwald ist, in eine bei Tag und Nacht unruhige Industrielandschaft ist offensichtlich bei der Abwägung mit politischen und wirtschaftlichen Interessen am weiteren ungeordneten Ausbau erneuerbarer Energien ohne Bedeutung. Zur Bewertung des Schutzbedürfnisses unserer Odenwälder Landschaft wird in der Begründung der Genehmigung in einer Weise argumentiert, die jedem Odenwälder und jedem, der hier Erholung sucht, die Zornesröte auf die Stirn treibt. So wird zwar festgestellt, dass von den WEA als Bauwerke mit technisch-künstlichem Charakter wegen ihrer Größe, Gestalt und der Rotorbewegung großräumige visuelle Wirkungen ausgehen, die das Erscheinungsbild der Landschaft verändern. Infolgedessen würden Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushaltes sowie das Landschaftsbild erheblich beeinträchtigt. Diese erhebliche Beeinträchtigung könne aber im Benehmen mit der oberen Naturschutzbehörde zugelassen werden, da in den Nebenbestimmungen der Genehmigung sichergestellt sei, dass sie teilweise vermieden und vermindert würden. Die in dieser Passage der Begründung angeführten Nebenbestimmungen beziehen sich allerdings ausschließlich auf Auflagen zur Rodung und Ausführung der Bauarbeiten. Aussagen zum Schutz des Landschaftsbildes werden darin keine getroffen. Im Weiteren der Begründung wird allerdings interessanterweise festgestellt, dass die Beeinträchtigung des Landschaftsbildes zwar nicht kompensierbar sei, Gründe für eine Versagung des Eingriffs nach § 15 Abs. 5 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) aber dennoch nicht vorliegen. Anschließend wird ohne weitere Begründung lapidar ausgeführt, dass das öffentliche (politische und wirtschaftliche) Interesse am Ausbau erneuerbarer Energien im vorliegenden Fall höher zu bewerten sei als die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege. Nachdem der Eingriff nicht kompensierbar sei, habe der Verursacher nach § 15 Abs. 6 BNatSchG eine Ersatzleistung in Geld zu erbringen. Die für die unwiederbringliche und – wie im Genehmigungsbescheid selbst eingeräumt- nicht kompensierbare Zerstörung unseres Odenwaldes ist dem Regierungsprä- sidium in Darmstadt immerhin einen Betrag von 62.967.- € wert, der der Staatskasse des Landes Hessen zufließt und sicher einer sinnvollen Verwertung zugeführt wird. Leider bringen uns diese Ersatzzahlungen an das Land Hessen weder unser zerstörtes Landschaftsbild noch die vernichtete Erholungsfunktion unseres Odenwaldes zurück. Auch die Bemühungen der Kommunen und privaten Organisationen sowie der Gastronomie, den Tourismus in unserer Region zu fördern, werden konterkariert und der dabei eingesetzte hohe ideelle und finanzielle Aufwand vieler Beteiligter im Nachhinein zunichte gemacht. Die Belange eines alteingesessen örtlichen Flugsportclubs, der über Jahrzehnte hervorragende Vereins- und insbesondere Jugendarbeit leistet, der seinen Flug- und Flugplatzbetrieb immer wieder unter modernen ökologischen Gesichtspunkten neu ausrichtet, finden keinerlei Berücksichtigung. Existenzielle Gefahren für diesen Verein werden von der Genehmigungsbehörde schlichtweg ignoriert und dessen Zerstörung billigend in Kauf genommen. Bemerkenswert ist in diesem Verfahren besonders der Umgang der Genehmigungsbehörde mit der Planungshoheit der Kommunen und damit der verfassungsmäßig garantierten kommunalen Selbstverwaltung. Das Regierungspräsidium konstatiert unter Bezugnahme auf eine Kommentarmeinung, dass der in enger Abstimmung mit der Behörde ausgearbeitete und beschlossene Gemeinsame Flächennutzungsplan für den Odenwaldkreis keine materielle Planreife besitze, da ein Dezernat dieser Behörde diesem die Genehmigung versagt habe. Obwohl in dem Flächennutzungsplan die Planungsabsicht der Kommunen des Odenwaldkreises klar dokumentiert wird und bereits einige Kommunen eine Klage gegen den Versagungsbescheid des Regierungspräsidiums angekündigt haben, schafft die Behörde hier entgegen dem erklärten kommunalen Planungswillen durch die Genehmigung zweier Einzelvorhaben vollendete Tatsachen. Mag diese Verfahrensweise formaljuristisch vertretbar sein, woran wir unsere Zweifel haben, ist sie in jedem Fall ein weiteres eindeutiges Indiz dafür, dass das Regierungspräsidium sich bei seiner Genehmigungspraxis weder von Interessen und Sorgen der betroffenen Bürgerinnen und Bürgern vor Ort, dem Erhalt einer intakten Natur und Landschaft noch von dem Willen der Selbstverwaltungsgremien der Kommunen leiten lässt. Sie bestätigt vielmehr den Eindruck, dass die Genehmigungsbehörde unter dem Druck politischer Zielsetzungen und wirtschaftlicher Interessen von Projektierern, Investoren und Grundbesitzern eine äußerst einseitige und zweifelhafte Rechtsgüterabwägung praktiziert. Die Genehmigungspraxis des Regierungspräsidenten bei diesen WEA und die Scheinargumentation in der Begründung der Genehmigung lassen für uns aber nur den Schluss zu, dass hier eine unheilige Allianz zwischen einer Behördenleitung, die krampfhaft nach einem vermeintlich ökologischen Profil strebt sowie profitgierigen Projektierern, Investoren und Großgrundbesitzern unseren Odenwald für ein paar Silberlinge verkauft. Als Ortsbeirat waren wir uns bisher in der öffentlichen Diskussion immer um Sachlichkeit bemüht und haben den für uns nach der Gemeindeordnung vorgegebenen Verfahrensweg eingehalten. Da dies bedauerlicherweise nicht zu einer ausreichenden Würdigung der Interessen unserer Bürgerinnen und Bürger durch die Genehmigungsbehörde geführt hat, sehen wir uns gezwungen, uns direkt an sie und die Öffentlichkeit zu wenden. Auch wenn es im wahrsten Sinne ein Kampf gegen Windmühlenflügel scheint, sollten wir betroffenen Odenwälder dennoch alle Möglichkeiten ausschöpfen und uns mit allen rechtlich zulässigen Mitteln gegen diese Zerstörung unserer Landschaft und unseres Lebensraumes wehren. Der Ortsbeirat fordert daher die Stadt Michelstadt und den Odenwaldkreis auf, alle politischen und rechtlichen Möglichkeiten einzusetzen, um gegen diese Genehmigungen vorzugehen und den Bau dieser Anlagen zu verhindern. Von den Landtagsabgeordneten des Odenwaldkreises erwarten wir, dass sie sich mit Nachdruck für die Odenwälder Belange einsetzen und mit allen gebotenen Mitteln darauf hinwirken, dass das Regierungspräsidium als weisungsgebundene Landesbehörde angehalten wird, die kommunale Planungshoheit zu beachten und nicht während eines anhängigen Bauleitplanverfahrens, über das noch nicht rechtskräftig entschieden ist, durch Genehmigung von Einzelvorhaben entgegen dem erklärten Planungswillen der Kommunen vollendete Tatsachen zu schaffen. Mit freundlichen Grüßen Reinhold Koch Ortsvorsteher