Drohender Dammbruch im Artenschutz: Windkraft und die „Lizenz zum Töten“

Pressemitteilung der „Naturschutzinitiative e.V.“ vom 24.9.2016

Projektierer beantragen die „Genehmigung zum Töten“ streng geschützter Arten

Besorgniserregender Antrag im Windindustriegebiet Weibern-Rieden

NATURSCHUTZINITIATIVE, POLLICHIA und GESELLSCHAFT ZUM ERHALT DER EULEN warnen vor der Aufhebung des Natur- und Artenschutzes durch „Ausnahmen vom Tötungsverbot“ – Weitere Windenergieanlagen in Weibern-Rieden werden abgelehnt!

Auch in Rheinland-Pfalz steht der Artenschutz offensichtlich der wirtschaftlichen Profitsucht der Windlobby im Weg. Bei den Planungen zur Erweiterung des „Windpark Weibern-Rieden“ wurde uns vom Projektierer DunoAir auf Nachfrage mitgeteilt, dass ein Antrag auf Ausnahme vom Tötungsverbot nach § 44 Bundesnaturschutzgesetz beim Uhu gestellt wurde. Dies stellt einen weiteren Baustein in der „Ermöglichungspolitik“ rund um die Windindustrie dar. Uns sind mittlerweile schon drei weitere derartige Anträge in drei Bundesländern bekannt.

Der „Windpark Weibern-Rieden“ im Landkreis  Mayen-Koblenz besteht bereits seit 2011 aus 14 Anlagen. Nun soll dieses Windindustriegebiet weiter ausgebaut werden. Artenschützer rufen die Dunoair GmbH auf, diesen Ausbau nicht weiter zu verfolgen. Die Obere Naturschutzbehörde fordern wir auf, diesen Antrag vollumfänglich abzulehnen.

„Die SGD ist Garant und Wächter des Natur- und Artenschutzes. Wir fordern die SGD Nord eindringlich auf, keine Ausnahme zuzulassen“, fordern Harry Neumann, Landesvorsitzender der NATURSCHUTZINITIATIVE und Dr. Jürgen Ott, Präsident der POLLICHIA. „Ebenso haben wir die Projektierer selbst gebeten, den Antrag für den „Windpark Weibern-Rieden“ zurückziehen, um ihrer Verantwortung für den Artenschutz gerecht zu werden. Auch 3 Wochen danach haben wir bislang noch keine Antwort erhalten.“

Es drängt sich nun auch die Frage auf, wieso ein solcher Antrag erst jetzt, beim Ausbau eines bereits existierenden Windparks, gestellt wird. War die Gefahr für die Uhus vorher geringer? Wenn ja, wieso? Immerhin wurden bereits drei Uhus tot aufgefunden.

„Die existierenden Anlagen in Weibern-Rieden stehen deutlich zu nahe an den Uhu-Schutzgebieten und deren Brutplätzen. Es gibt bei Rieden mehrere Uhu-Pärchen, welche das ganze Jahr das Gebiet großräumig nutzen. Nun wurden bereits drei von Windrädern erschlagene Uhus gefunden“, weiß Stefan Brücher, Vorsitzender der Gesellschaft zur Erhaltung der Eulen mit Sitz in Bad Münstereifel, zu berichten.

Und weiter: „Da zwei europäische Vogelschutzgebiete für den Uhu unmittelbar an den Gefährdungsbereich der Anlagen grenzen und Uhus um Leben gekommen sind, ist aus unserer Sicht ein Hineinwirken der Anlagen in die Vogelschutzgebiete gegeben. Die Anlagenbereiche sind daher quasi „faktische Vogelschutzgebiete“. Daher sind bestehende Anlagen in Frage zu stellen und zusätzliche Anlagen abzulehnen“, so Stefan Brücher von der GESELLSCHAFT ZUM ERHALT DER EULEN.
„Selbst wenn die Windräder in der Bettelphase der Jungvögel, in der diese häufig umherfliegen, abgeschaltet würden, wäre diese Vorgehensweise vollkommen unzureichend, gerade aufgrund der räumlichen Nähe der geplanten Anlagen zu den Schutz- und Brutgebieten“, verweist Dr. Jürgen Ott, Präsident der POLLICHIA weiter.

Darüber hinaus stellt sich in Weibern-Rieden auch noch die wichtige Frage, wie mit dem Schutz der Avifauna bei den bestehenden Anlagen umzugehen ist. Im neuen Urteil des Verwaltungsgerichtes Minden vom 08.08.2016 wurde eine sofortige zeitweilige Abschaltung von drei Windenergieanlagen zum Schutz des Schwarzstorches nach § 3 Abs. 2 des Bundesnaturschutzgesetzes als rechtmäßig anerkannt. Diese Bestimmung ermächtigt die untere Naturschutzbehörde im Rahmen der ihr obliegenden allgemeinen gesetzlichen Überwachungspflichten dazu, die im Einzelfall erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um die Einhaltung der Vorschriften des Bundesnaturschutzgesetzes und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Vorschriften sicherzustellen. Hierzu gehören auch die Vorschriften für besonders geschützte Tier- und Pflanzenarten (§§ 44 ff. BNatSchG), insbesondere das in § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG für wild lebende besonders geschützte Arten normierte Tötungsverbot.

Soweit uns bekannt ist, gibt es in Weibern-Rieden für die existierenden Anlagen einen Auflagenvorbehalt bei den bisherigen Einzelgenehmigungen. Dann sind diese Auflagen jetzt in Bezug auf Verbotstatbestände erneut zu prüfen. Die Anwesenheit von Uhus muss unter anderem zu einem absoluten Tabubereich von 3000 Metern rund um die Brutplätze sowie zu einem Inbetriebnahme-Verbot für die Nacht und insbesondere für die Aufzucht-Phase der Jungtiere von April bis August führen.

Wenn diese Anträge auf Ausnahme des Tötungsverbots bewilligt werden, dann könnte es dazu kommen, dass Windkraftbetreiber gar keine artenschutzrechtlichen Prüfungen mehr durchführen, sondern den direkten Weg über die Ausnahmegenehmigung gehen. Wenn das Schule macht, ist das der Ausverkauf des Naturschutzes in Deutschland und des europäischen Artenschutzes zugunsten der Windindustrie. Dies darf die Obere Naturschutzbehörde bei der SGD Nord in Koblenz nicht zulassen.

Die in dem aktuellen Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 29.03.2016 – 22 B 14.1875, 22 B 14.1876 enthaltene Aussage, dass eine Vorgabe des Windkrafterlasses nicht mehr angewendet werden darf, wenn sich ein „abweichender, allgemein anerkannter Stand der Wissenschaft durchgesetzt hat“ ist sehr bedeutsam, zumal der VGH annimmt, dass sich dieser aus dem Helgoländer Papier ergibt. Hiergegen wird jedoch in Rheinland-Pfalz aus politischen Gründen verstoßen.

In Rheinland-Pfalz wird das Urteil aber auch im Hinblick auf den Schwarzstorch Auswirkungen haben. Denn der „Naturschutzfachliche Rahmen“ von 2012 als Teil des ministeriellen Windkraft-Erlasses von 2013 widerspricht mit seinem absoluten Tabubereichen von 1 km statt 3 km dem Helgoländer Papier deutlich. Der im „Naturschutzfachlichen Rahmen“ in Anlage 3 und 4 enthaltenen Auslegungshinweis, dass bei einem Abstand von 1000 m bis 3000 m bloß ein „hohes Konfliktpotential“ bestünde (statt ein sehr hohes wie bei einem Abstand von weniger als 1 000 m), wird man zukünftig beim Vollzug nicht mehr rechtssicher anwenden können.

Die Naturschutzverbände warnen schon seit längerer Zeit vor diesem verantwortungslosen Versuch, mit Hilfe der „Ausnahme vom Tötungsverbot“ den Artenschutz auszuhebeln.
Diese Möglichkeit des Bundesnaturschutzgesetzes halten wir ohnehin nicht für vereinbar mit dem europäischen Artenschutzrecht.

„Die Entscheidung des höchsten bayerischen Verwaltungsgerichtes sollte als Präzedenzfall zu dem Thema „Windkraft versus Artenschutz“ für ganz Deutschland werden und diesem verantwortungslosen Treiben der Windlobby einen Riegel vorschieben“, fordern die Verbände.