Minister Untersteller verleugnet negative Auswirkung von Windkraft auf Tourismus

Presseerklärung: Behauptung von Minister Untersteller zu Tourismus und Windkraft ist falsch.

Presseerklärung der Heidelberger Bürgerinitiative „Rettet den Odenwald“ zur falschen Behauptung des Baden-Württembergischen Umweltministers Unterstellers, es gäbe keine Studien, die belegen würden, dass Windkraft dem Tourismus schadet.

Viele Medien (u.a. BILD) berichteten bereits Ende September über ein bemerkenswertes Interview mit Umweltminister Franz Untersteller beim SWR.  Er verbreitete dort u.a. sehr einfach zu wiederlegenden falsche Behauptungen zum Thema „Windkraft und Tourismus“. Leider wurde unsere Presseerklärung hierzu von keiner Zeitung aufgegriffen – wir Veröffentlichen die Inhalt des halb nun hier:

Die Rhein-Neckar-Zeitung berichtete am 21.9.2016 über die Behauptung des Baden-Württembergischen Umweltminister Franz Untersteller (GRÜNE) Windkraft Schade dem Tourismus nicht. In einem Interview mit SWR Info sagte Minister Untersteller wörtlich:  „Bislang gibt es keine Studie, die belegen würde, dass die Zahlen der Touristen rückläufig wären, als Folge des Ausbaus der Windkraftanlagen“ [1].  Die RNZ schreibt weiter: „Windräder in der Landschaft stellen nach Ansicht von Baden-Württembergs Umweltminister Franz Untersteller keine Gefahr für den Tourismus dar.“[2] Als Beleg dafür werden Studien von der Nord- und Ostee angeführt, welche zu diesem Ergebnis kämen.

Die Bürgerinitiative „Rettet den Odenwald“ weist darauf hin, dass diese Aussagen von Minister Untersteller nicht stimmen: „Es existieren sowohl ältere, als auch aktuelle Studien,  die klar belegen,  dass der Ausbau von Windkraft in Urlaubsregionen zu rückläufigen Touristenzahlen führen kann bzw. auch bereits dazu geführt hat.“ Betont Dr. Richard Leiner, Sprecher der Bürgerinitiative „Rettet den Odenwald“.

Ältere Studien: Windkraft in Mittelgebirgen würde zu sinkenden Touristenzahlen führen

Bereits in einer älteren, vom Bundesverband Deutsche Mittelgebirge e. V. im Jahr 2012 in Auftrag gegebenen Studie[3], gaben 22% der befragten Mittelgebirgsurlauber an sie würden sich klar „gegen einen Urlaubsort im Mittelgebirge entscheiden, wenn dort Windenergieanlagen stehen“[4]. 31 Prozent der befragten Touristen standen dem Bau von Windkraftanlagen in den Urlaubsgebieten der Mittelgebirge kritisch bis ablehnend gegenüber. Selbst 15 Prozent der Befürworter von Windenergie sagten, sie würden nicht in einer Region Urlaub machen, in der sich „Windenergieanlagen an Aussichtspunkten oder entlang von Rad und Wanderwegen befinden“[5].

Ebenso weisen auch andere ältere Studien auf rückläufige Touristenzahlen aufgrund des Windkraftausbaus  hin. Beispielsweise zeigten die Untersuchungen des Kieler Instituts für Tourismus und Bäderforschung in Nordeuropa aus dem Jahr 2014 selbst für Küstenregion einen negativen Einfluss von Windkraftanlagen auf den Tourismus [6] – auch wenn dieser Einfluss deutlich geringer ausfiel als bei der Untersuchung für die Mittelgebirge.

„Bei der Diskussion um die Auswirkung  von Windkraft auf den Tourismus ist zu berücksichtigen, dass viele Studien inzwischen veraltet sind: Im Jahr 2012 lag die durchschnittliche Höhe von Windkraftanlagen noch bei rund 100 m. Die inzwischen in die Wälder von Odenwald und Schwarzwald gebauten Anlagen sind mehr als doppelt so hoch –  was ihre Akzeptanz bei Natururlaubern in der Zwischenzeit sicher nicht erhöht hat.“ Gibt Leiner zu bedenken.

Auch aktuelle Studie weist Zusammenhang zwischen Windkraft in Urlaubsgebieten  und rückläufigen Touristenzahlen nach.

Auch eine aktuelle Studie[7] des Instituts für Wirtschafts- und Kulturgeographie  der Leibniz Universität Hannover [8] belegt klar einen Zusammenhang zwischen Windkraft in Urlaubsgebieten  und rückläufigen Touristenzahlen:

Wie bei Forschungsprojekten üblich sichteten die Wissenschaftler zunächst einmal den aktuellen Forschungsstand: „Bisherige Studien deuten auf einen negativen Zusammenhang zwischen Energiegewinnung aus Wind und touristischer Nachfrage hin“[9]. Bereits diese Aussage steht inhaltlich klar im Widerspruch zur Behauptung von Minister Untersteller es gebe derartige Studien überhaupt nicht.

Während bisherige Untersuchungen vor allem auf der Befragung von Urlaubern basierten , wurde bei der aktuellen Studie an der Leibnitz Universität der Zusammenhang von Windkraftanlagen und regionaler touristischer Nachfrage anhand von flächendeckenden Informationen zum Ausbau von Windkraftanlagen mit offiziellen statistischen Kennziffern der Tourismusnachfrage in den betroffenen Gemeinden verwendet. Die Studie gibt also nicht nur ein Stimmungsbild der in einer Urlaubsregion befragten Touristen wieder, sondern belegt den negativen Einfluss von Windkraft in Urlaubsregionen aufgrund von bereits erfolgten Veränderungen der Touristenzahlen.

Für die Diskussion um negative Auswirkungen von Windkraft auf Tourismus in den Süddeutschen Mittelgebirgsregionen sind u.a. zwei Aussagen der Studie besonders hervorzuheben: „Die statistische Analyse zeigt, dass sich Windkraftanlagen negativ auf den Tourismus im nahen Umland bis 20 Kilometern auswirken können“. Und „Weiterhin zeigt die Studie, dass küstenferne Regionen eher unter einem negativen Effekt der Windkraftanlagen zu leiden scheinen.“[10]

Windkraft und Tourismus im Odenwald

Welche Folgen hätte nun der von den GRÜNEN geführten Landesministerien in Hessen und Baden-Württemberg für den Tourismus in einer Waldregion wie dem UNECSO Naturpark Odenwald? Für die Bürgerinitiative „Rettet den Odenwald“ passen die hier genannten Untersuchungen auch zu dem Bild, sie auch im Austausch mit Bürgerinitiativen aus anderen Teilen Deutschlands gewonnen hat:

„Nach Einschätzung unserer Bürgerinitiative sind es vor allem die Mittelgebirge, die durch den Ausbau  der Windkraft  ihre Touristen  verlieren, da sie keine Urlaubsattraktionen wie Strand und Meer sondern „lediglich“ die Schönheit ihrer Natur und ihre Waldlandschaften zu bieten haben.“ Betont Richard Leiner. „Ob und wie stark Windkraftanlagen Touristen vergraulen hängt vor allem davon ab, ob die Anlagen mit den Urlaubswünschen der Besucher kollidieren. Einen Touristen, der seinen Urlaub an der Ostsee vor allem am Strand und im Hotel verbringen möchte stören Windkraftanlagen im Hinterland nicht unbedingt. Wer jedoch seinen Urlaub Natur und Ruhe sucht, der wird nicht mehr in Mittelgebirgen wie dem Hunsrück oder dem Odenwald reisen, wenn sich die Wälder dort in Windindustieparks verwandeln[11].“

Was bedeutet der Bau von mehreren hundert Windkraftanlagen für den Tourismus im Odenwald?

„Was dem Odenwald blüht kann man erahnen, wenn man sich das Schicksal des Hunsrück anschaut“  meint Richard Leiner. „Aufschlussreich ist ein Blick auf die Entwicklung der dortigen Besucherzahlen in den letzten Jahren.“ In den letzten Jahren wurden im Rhein-Hunsrück Landkreis 300 Windraftanlagen[12] gebaut (für den Odenwald sind derzeit deutlich mehr in Planung [13]). Während die Übernachtungszahlen in Rheinland-Pfalz von 2011 bis 2014  insgesamt stabil blieben [14] brachen sie im Rhein–Hunsrück Kreis im selben Zeitraum um fast 10% [15] ein.  Noch klarer wird das Bild, wenn man sich die Entwicklung der Übernachtungszahlen in direkt betroffenen Gemeinden wie z.B. der Verbandsgemeinde Stromberg (Soonwald) ansieht:  Dort sank die Gesamtanzahl der Übernachtungen von 2011 bis 2014 um 11% – und von Januar bis Juli 2014 ging die Zahl der Übernachtungen von ausländischen Gäste dort sogar um 42% zurück.

„Wenn die Windkraft im Odenwald tatsächlich so ausgebaut wird wie es die GRÜN geführten Ministerien in Hessen und Baden-Württemberg planen, werden wir auch dort Verhältnisse wie im Hunsrück mit dramatischen Folgen für den Odenwald als Natur- und Urlaubsregion haben“. So Richard Leiner. „Wir verwandeln gerade in Windeseile unsere letzten großen Natur- und Waldgebiete in Windindustrieparks und zerstören damit die letzten Rückzugs- und Naherholungsgebiete  die es in unserem ohnehin schon stark urbanisierten und besiedelten Land überhaupt noch gibt. Wenn Natururlaub künftig nur noch mit einem Flug ins Ausland möglich ist, dann haben wir dem Klimaschutz und der Natur vor unserer eigenen Haustüre einen Bärendienst erwiesen“.

[1] http://www.rnz.de/politik/suedwest_artikel,-Umweltminister-Windraeder-schaden-Tourismus-nicht-_arid,223208.html

[2] S.O.: http://www.rnz.de/politik/suedwest_artikel,-Umweltminister-Windraeder-schaden-Tourismus-nicht-_arid,223208.html

[3] Siehe: http://cms.deutschemittelgebirge.de/

http://cms.deutschemittelgebirge.de/images/pressemeldungen/akzeptanz-windenergie.pdf

[4]  Zitat aus der Presserklärung des Bundesverbandes deutscher Mittelgebirge: http://cms.deutschemittelgebirge.de/images/pressemeldungen/mittelgebirge%20zu%20windkraft.doc

[5] Zitat aus der Presserklärung des Bundesverbandes deutscher Mittelgebirge: http://cms.deutschemittelgebirge.de/images/pressemeldungen/mittelgebirge%20zu%20windkraft.doc

[6] Siehe z.B. http://www.ndr.de/nachrichten/mecklenburg-vorpommern/Studie-Windraeder-bergen-Risiken-fuer-Tourismus,windkraft504.html

Für Schleswig Holstein siehe auch  http://www.shz.de/regionales/schleswig-holstein/wirtschaft/studie-windraeder-als-stoerfaktor-fuer-urlauber-id7082346.html

https://www.wind-energie.de/sites/default/files/attachments/region/schleswig-holstein/20140722-ee-tourismus-sh-kurzfassung.pdf

[7] https://mpra.ub.uni-muenchen.de/65946/1/MPRA_paper_65946.pdf

[8] http://www.wigeo.uni-hannover.de/institut.html

[9] https://www.uni-hannover.de/de/aktuell/online-aktuell/details/news/1297/

[10] Beide Zitate aus https://www.uni-hannover.de/de/aktuell/online-aktuell/details/news/1297/

[11] http://propfaelzerwald.org/wp-content/uploads/2014/06/MG_4414_Pan_IPP_1620_kl.jpg

[12] http://www.geoportal-rheinhunsrueck.de/media/40a0bbd3-9c1b-4dae-bd9a-9762959f1f67/20160408_Uebersicht_WEA_RHK.pdf

[13] https://rettet-den-odenwald.de/was-ist-geplant/

[14] https://www.statistik.rlp.de/wirtschaft/tourismus/zeitreihen-land/mit-campingplaetze/

[15] Daten von  2011: https://www.statistik.rlp.de/fileadmin/dokumente/nach_themen/verlag/kreisuebersichten/Kreisuebersichten_2012.pdf

Daten von 2014: https://www.statistik.rlp.de/fileadmin/dokumente/nach_themen/verlag/kreisuebersichten/Kreisuebersichten_2015.pdf