Waldschutz! Unsere Vorschläge für Maßnahmen zum „Klimanotstand“ in Heidelberg

Am 9. Mai 2019 hat Heidelberg den „Klimanotstand“ ausgerufen. Diese Woche haben nun die Stadtverwaltung und die GRÜNEN ihre Vorschläge für Maßnahmen zum Klimanotstand vorgestellt. Siehe hier und hier.

Wir begrüßen und unterstützen die zahlreichen Vorschläge von Stadt und GRÜNEN welche eine Einsparung von Energie (z.B. Stärkung des innerstädtischen Radverkehrs), eine Förderung von energieärmeren, nachhaltigeren Lebensstilen der Stadtbewohner/innen  sowie eine Bindung von CO2 in Pflanzen (z.B. Maßnahme: Pflanzen von 500 Bäumen) bewirken.

Uns fehlen jedoch wirksame Sofortmaßnahmen (I), weshalb wir hier eigene Vorschläge einbringen: 1.) Stopp der Holzentnahme aus dem Heidelberger Stadtwald und 2.) Nachtabschaltung der Straßenbeleuchtung in weiten Teilen des Stadtgebietes. Ferner vermissen wir eine Berücksichtigung des wichtigen Aspekts „Tourismus/Freizeitverhalten und Verkehr/Treibhausgasemissionen“ (siehe II) und warnen eindringlich vor einer verstärkten Energiegewinnung aus Biomasse (III) und vor Windkraft an den „Drei Eichen“ oberhalb der Heidelberger Stadtteile Boxberg/Emmertsgrund. Denn: die Fläche liegt a) im Wald, b) in einem Landschaftsschutzgebiet, c) in einem Natura 2000 FFh Gebiet sowie d) im Naturpark Neckartal-Odenwald.

Ausführlicher:

I. Unsere Vorschläge für Sofortmaßnahmen:

1.) Stopp der Holzentnahme aus dem Stadtwald: Wir fordern die konsequente Entwicklung des Stadtwaldes als CO2 Speicher. Wesentlich wichtiger als das Pflanzen neuer Bäume ist der Erhalt und die natürliche Weiterentwicklung des Baumbestandes im Stadtwald. In seinen ersten 80 Lebensjahren bindet ein Baum wesentlich weniger CO2 aus in seinen nächsten 80 Lebensjahren. Wir fordern vor dem Hintergrund des Klimanotstandes einen (nahezu) vollständigen Stopp der Holzentnahmen aus dem Stadtwald – solange bis der Wald  sein maximales CO2 Speicherpotenzial aufgebaut hat (dieser Zeithorizont geht über das Jahr 2050 hinaus). Hinweise: In einem Kubikmeter Holz ist rund 1 t CO2 gebunden. Grob überschlagen würden bei der Umsetzung dieser Maßnahmen durch den weiteren Zuwachs des Waldes von etwa 11m³ Holz/ha ca. 35.000 t CO2/Jahr ZUSÄTZLICH gebunden – so lange bis der Wald sein „Speichermaximum“ erreicht hat1 . Der aktuelle jährliche heidelberger Holzeinschlag von ca 25.000 Festmetern müsste erheblich reduziert werden. Wissenschaftliche Ausführungen siehe hier: Carbon accounting of forest bioenergy. Und hier ein einführender – aber inhaltlich nicht vollständiger NZZ Zeitungsartikel.

Vergleich: Die Stromproduktion der PV Anlage eines Einfamilienhaus bringt nach Angaben der Stadt Heidelberg eine Minderung von 4t Co2/Jahr2.

Hinzu kommt dass eine Stärkung des Stadtwaldes gegen Extremereignisse wie Stürme/Dürren künftig die höchste Priorität haben muss um seine CO2-Speicherfähigkeit nicht weiter zu gefährden. Eine völlige Beendigung bzw. drastische Reduzierung der Holznutzung für die nächsten Jahre ist hierbei der wichtigste Schritt.

2.) Straßenbeleuchtung: Wir setzen uns ein für eine sofortige Reduzierung des Stromverbrauchs durch die Abschaltung der Straßenbeleuchtung in den Nachtstunden (z.B. zwischen 0:00 und 5 Uhr – Orte des Nachtlebens oder Brennpunkte können davon ausgenommen sein). In Kommunen welche eine reduzierte Straßenbeleuchtung bereits umgesetzt haben zeigte sich dass die Sorge um „Sicherheitsverlust“ unbegründet war. Übrigens war auch vor einigen Jahren in Ladenburg – allerdings aus finanziellen Gründen – die Straßenbeleuchtung nachts ausgeschaltet. Als weitere Kommunen mit Abschaltungserfahrung sind zu nennen: Göttingen, Lindau, Nienburg, Herford, Krefeld u.a. .3

II Klimaschutz und Tourismus/Mobilität: Hier weisen wir auf einen wichtigen Aspekt im Verkehrsbereich hin der in der bisherigen Stadtdebatte weder von der Stadtverwaltung noch den GRÜNEN beachtet wurde:

Das Umweltprognoseinstitut hat bereits im Juli 2019 – und auch bei der Vorstellung des GRÜNEN Maßnahmekatalogs – darauf hingewiesen dass das Thema „Tourismus und Mobilität“ in den bisherigen Klimaschutzmaßnahmen vollständig fehlt – obwohl der Tourismus als Quelle von Treibhausgasemissionen in Heidelberg eine erhebliche Rolle spielt.

Folgerichtig wurde gefordert dass eine Stadt – wenn sie sich denn im Klimanotstandsmodus befindet – konsequenterweise auch u.a. ihr Stadtmarketing überdenken und die bisherigen mit massiven Emissionen im Verkehrsbbereich verbundenen Tourismusformen nach Heidelberg verhindern und keinesfalls weiter Fördern darf. An die Stelle eines kurzen „City-hoppings“ von Ferntouristen ist ein sanfter, nachhaltiger Tourismus der Gäste Heidelbergs anzustreben. Damit verbunden wären längere Aufenthaltsdauern der Touristen – samt einer Erkundung des Umlandes und des Odenwaldes.

Wir unterzützen daher die vom Heidelberger Umweltprognoseinstitut (UPI) vorgeschlagenen Klimaschutzmaßnahmen im Tourismusbereich für Heidelberg:

„1.Einbeziehung des für Heidelberg besonders relevantenSektors Tourismus in den Masterplan 100% Klimaschutz 2.Beendigung der Förderung des Fern-und Flugtourismus 3.Einsparung der Gelder für Touristenwerbung in Übersee, stattdessen Werbung für sanften Tourismus 4.Erhöhung der Verweildauer von Touristen in Heidelberg, Reduktion desKurzzeitferntourismus 5.Hotelausweis gültig als VRN-Ticket 6.Belohnungssysteme bei umweltfreundlicherAnreise“. Siehe UPI Vortrag „Klimaschutz im Verkehrsbereich in HeidelbergProbleme und Lösungen“

Die Thematik „Verkehr und Tourismus“ betrifft aber auch die Heidelberger/innen in ihrer Eigenschaft als Touristen/Erholungssuchende selbst: Zwar tauchen die Urlaubsflüge und -reisen der Bürger/innen Heidelbergs weder in den bisherigen Klimaschutzbilanzen Heidelbergs auf, noch sind sie Thema der städtischen oder GRÜNEN Klimanotstandsmaßnahmen – dennoch sind sie eine massive städtische Treibhausgasquelle. Eine Stadt im Klimanotstand muss deshalb konsequent Naherholung und Naturtourismus in der Region stärken um so einen Beitrag zur Vermeidung von Fernreisen zu leisten. Eine Stärkung (und nicht der Abbau!) von Landschaftsschutz, Denkmalschutz und Naturschutz sind selbstverständliche Bausteine und Voraussetzungfür die Stärkung eines emissionsarmen und nachhaltigen Naherholungs- und Urlaubsverhalten der Heidelberger/innen

Als Sofortmaßnahme in diesem Themenbereich schlagen wir vor dass die Stadt bei den städtischen Schulen dafür werben dass Ausflüge, Landheime und Kursstufenfahrten wieder verstärkt in den Odenwald und die Region unternommen werden – sofern das die Schülerinnen und Schülern nicht selbst schon in ihren Schulen durchgesetzt haben. Eine Stadt im „Klimanotstandsmodus“ sollte eben nicht nur den Kauf von regionalen und saisonalen Produkten und Lebensmitteln fördern sondern auch regionale Naherholung und regionale Urlaubs- und Bildungsziele. Dass wie vor wenigen Jahren noch z.B. die gymnasiale Oberstufe einer Heidelberger Schule  das Flugzeug als Verkehrsmittel für eine Kursstufenfahrt wählt ist keinesfalls mit einem „Klimanotstand“ vereinbar.

III. Warnung vor einer verstärkten Nutzung von Biomasse: Kritisch sieht die Bürgerinitiative „Rettet den Odenwald“ Vorhaben bei denen Klimaschutz durch eine verstärkte Nutzung von Biomasse – wie z.B. zur Wärme- oder Stromgewinnung – erzielt werden soll. Es ist seit Jahren Stand der Wissenschaft4 und auch bereits vom Bundesamt für Naturschutz umfassend verbreitet, dass die Energiegewinnung aus nachwachsenden Rohstoffen nicht nur hinsichtlich ihrer ökologischen Folgen sondern auch hinsichtlich ihres Nutzens für den Klimaschutz keine förderungswürdige Form der Energiegewinnung darstellen. Im Gegenteil: Der Anteil von Palmöl, Raps, Mais und anderen Energiepflanzen an der Energieversorgung sowie die Nutzung von Holz als Energieträger ist aus ökologischen und klimaschutztechnischen Gründen zu reduzieren und nicht noch weiter zu steigern.

IV. Keine Windkraft im Wald, schon gar nicht im Landschaftsschutzgebiet – und erst recht nicht in einem Natura 2000 Gebiet – „Drei Eichen“ als Windkraftstandort ist undiskutabel! Die GRÜNEN schlagen in ihrem Papier vor den Standort „Drei Eichen“ so schnell wie möglich als Windkonzentrationszone in den Flächennutzungsplan aufzunehmen. Dies ist weder klimaschutztechnisch noch ökologisch sinnvoll oder vertretbar. Die Gründe hierfür haben wir bereits mannigfach vorgetragen – siehe u.a. auch hier.

Exkurs: Dass die Heidelberger GRÜNEN an diesem Standort nach wie vor Windkraft fordern macht uns schlichtweg Fassungslos – auch und gerade im Zusammenhang mit einem „Klimanotstand“. Aus unserer Sicht verstoßen die heidelberger GRÜNEN mit dieser „Realpolitik“ gegen zahlreichen Grundsätzen ihres  Grundsatzprogramms . Es ist das Geheimnis der heidelberger GRÜNEN wie sie den Standort „Drei Eichen“ mit den GRÜNEN Bundesgrundsätzen zu Natur- und Landschaftsschutz vereinbaren können. Eine kleine Kostprobe aus dem – noch immer gültigen –  Gundsatzprogramm:

„Für uns Bündnisgrüne haben Natur- und Landschaftsschutz eine wichtige Bedeutung. Die Menschheit kultiviert die Natur und nutzt die Erde. Gleichzeitig sind wir Teil der Natur und bleiben trotz aller Wissenschaft und Technik von ihr abhängig. Die Vielfalt der Natur, den Reichtum ihrer Arten und die unwiederbringliche Eigenart naturnaher Landschaften schützen wir aus Respekt vor ihrem Eigenwert, aber auch weil eine intakte Umwelt für uns Menschen einen nicht in Zahlen messbaren Wert hat. Die Schönheit der Natur ist unbezahlbar. Wir treten daher für die Erhaltung der verbliebenen Naturräume und der traditionellen Kulturlandschaften ein. Wir wollen Natur- und Landschaftsschutzgebiete möglichst großräumig vernetzen….“

oder  „…Aber Nachhaltigkeit ist mehr als technische Innovation: Sie hat auch eine kulturelle Dimension. Sie beinhaltet auch, dass wir Werte schätzen, die keinen Preis haben: den Wert naturnaher Landschaften, die Vielfalt der Flora und Fauna, ….“

oder: „…Es ist ein zentrales Anliegen zum Schutz der Natur und Bewahrung der natürlichen Lebensräume für künftige Generationen, der Versiegelung der Landschaft entgegenzutreten. Dem Erhalt vorhandener Grünflächen in Naherholungsgebieten […] als Lebensraum für die Tier- und Pflanzenwelt, […] für hochwertige Böden in der Land- und Forstwirtschaft und als Schutz vor Lärm muss endlich Priorität eingeräumt werden gegenüber der wachsenden Inanspruchnahme durch Umwandlung in Siedlungs- und Verkehrsfläche. Der Wald ist eine unverzichtbare natürliche Ressource und ein wichtiges, vielfältiges Ökosystem. Der Schutz aller Wälder, der Tropenwälder wie der heimischen Wälder, ist daher ein zentrales Ziel unserer Politik.“

1Nebenrechnung: Fläche Stadtwald: 3155 ha; Holzzuwachs ha/Jahr: 11,1 m³; CO2 Reduktion je m³ Holz: ca 1t